Moderieren im Tandem

Wann lohnt sich Co-Moderation — und wie gelingt sie?

Wie gelingt Tandem-Moderation?

Normalerweise wechselten sich Caren Miosga und Ingo Zamperoni wochenweise im „Tagesthemen“-Studio ab. Doch als ihre Sendung Ende 2017 den 40. Geburtstag feierte, war das Grund genug für die beiden, erstmals gemeinsam vor der Kamera zu stehen. Wenn sogar beim etablierten Fernsehsender 40 Jahre lang nur solo moderiert wurde, scheint es gute Gründe zu geben. Sowohl für die Einzelmoderator*in, als auch für die Doppelmoderation.

 

Seit dem wir Corona-bedingt Workshops viel öfter virtuell moderierten, ist der Wunsch nach einem Co-Moderator oder einer Co-Moderatorin deutlich gestiegen. Doch - ob virtuell oder in Präsenz - auf welche Dinge kommt es bei der Moderation zu zweit an?

Was hat Fernsehmoderation mit deinem nächsten Workshop zu tun?

Zunächst einmal unterscheiden sich die Fernsehmoderator*innen (und auch die im Radio) von dir dadurch, dass sie vor einem riesengroßen, jedoch anonymen Publikum sprechen. Sie schauen in die Kamera und sprechen ins Mikrofon, aber sie sehen die Zuschauer und Zuhörerinnen dahinter nicht. Sie bekommen kein direktes Feedback, wie das, was sie sagen, aufgenommen wird.

 

Aber Moment! Auch im Fernsehen ist eine Moderatorin eine Moderatorin (...  und ein Moderator ein Moderator), weil sie (er) nicht nur einfach ansagt, sondern moderiert. Sie haben Gäste im Studio (oder in der „Schalte“) und versuchen, durch gekonnte Fragestellungen und Interventionen verschiedene Meinungen zu einem Thema zu Wort kommen zu lassen, verschiedene Gesichtspunkte einer Problematik transparent zu machen und verschiedenen Stimmen zu einem strittigen Punkt Gehör zu verschaffen. Sie moderieren im Sinne von Mäßigen unterschiedlicher Standpunkte, im Sinne von Steuern und Lenken. Das macht ihren Job so wichtig. Denn ohne sie würden wir uns endlose und selbstgefällige Monologe der ungebremsten Beteiligten oder Fachleute anhören müssen!

 

Wozu es jedoch im Fernsehen oder Radio nicht kommt, ist ein „Arbeitsergebnis“, hinter dem die Beteiligten gemeinsam stehen. Die moderierte Sendung dient in der Regel nur der Transparenz und Horizonterweiterung der Zuhörerinnen und Zuschauer. Das gleiche gilt auch für die Moderation von großen Bühnenveranstaltungen, die wir zum Beispiel als Gala oder Stadtfest kennen. Was solche Veranstaltungen von Radio- oder Fernsehmoderationen unterscheidet, ist das direkte Feedback des Publikums. In Form von Applaus, Zwischenrufen oder auch kurzen „Ausflügen“ ins Publikum bekommt die Moderator*in ein Gefühl davon, wie das, was sie und die anderen Aktiven auf der Bühne tun, beim Publikum ankommt.

 

Noch interaktiver sind Podiumsdiskussionen. Hier wird das Publikum ganz aktiv in das Geschehen auf der Bühne einbezogen. Fragen können gestellt, oder auch Meinungen kund getan werden. Das Ergebnis wird auch hier in der Regel eher eine Meinungsbildung sein, als ein konkreter Kompromiss oder ein Arbeitsergebnis, hinter dem alle Teilnehmenden stehen.

Tandem-Moderation im Workshop

Das ist ganz anders bei Workshops. Egal ob im kleinen Team, oder als Großgruppenmoderation — bei deinem Workshop geht es um ein konkretes Ziel. Sei es die Einigung in einer neu zusammengesetzten Abteilung auf eine gemeinsame Arbeitsweise, eine Lösung für ein kompliziertes technisches Problem oder ein gemeinsam gestalteter Plan für das kommende Jahr. Natürlich bist du als moderierende Person auch hier lediglich für den Prozess und nicht für den Inhalt zuständig. Du interagierst mit den Teilnehmenden jedoch sehr direkt — nahbar, fühlbar und individuell.

Wo liegen also die Vor- und Nachteile für die Moderation zu zweit?

Das ist ganz unterschiedlich – je nach dem, von welchem Veranstaltungsformat man spricht. Bei Radio- und Fernsehmoderator*innen ist die Zielgröße eher der Unterhaltungswert der Sendung. So kann mehr Lebendigkeit durch Stimmenwechsel, mehr Schwung durch gegenseitiges freundliches „Necken“ zum Vorteil werden.

 

Ein Nachteil (und der mag die letzten 40 Jahre bei den Tagesthemen gegolten haben) ist die Gefahr eines höheren Wortanteils der Moderierenden (da nun beide „etwas zu sagen“ haben), zu viele handelnde Personen (besonders beim Radio: zu viele Stimmen!), wenn es viele Schalten, Beiträge und sonstige Zutaten in der Sendung gibt. Und: eine Moderator*in, die mit dem „Co“ spricht, beschäftigt sich nicht mit dem Radio- oder Fernsehpublikum. Im Fachjargon nennt man das eine schlechtere „Höreransprache“.

 

Bei deiner Workshopmoderation liegt der Haupt-Mehrwert der Moderator*in in einem zielorientiert, fair, strukturiert und pünktlich erarbeitetem gemeinsamen Ergebnis. Dem entsprechend lohnt es sich für dich eher dann mit einer Partner*in zusammen die Veranstaltung zu leiten, wenn du die Menge der Aufgaben

  • am Flipchart visualisieren,
  • den Chat der Videokonferenz im Auge behalten,
  • das interaktive Whiteboard betreuen oder
  • die nächste Pinnwand vorbereiten

allein nicht schnell genug erledigen kannst. Schließlich sollen die Teilnehmenden nicht auf dich warten!

 

Aber auch die Beziehungssituation kann die Zusammenarbeit mit einer zweiten Moderator*in vorteilhaft werden lassen. Vier Augen sehen mehr, vier Ohren hören mehr — von dem was zwischen den Teilnehmer*innen untereinander, aber auch zwischen Teilnehmenden und Moderator*in abläuft, wo es knirscht und wo um den heißen Brei herum geredet wird. Solange ihr nicht identische Persönlichkeitstypen seid, sind auch die statistischen Chancen größer, dass ihr die richtige Ansprache findet, um ein positives Gesprächsklima zu gestalten.

 

Solltest du dann nicht immer gleich zu zweit moderieren? Manche sagen „ja“, zum Beispiel generell ab einer bestimmten Gruppengröße oder in Online-Veranstaltungen. Ich sehe jedoch einige Argumente, die durchaus auch gegen eine Zweierkonstellation in der Moderationsrolle sprechen: Wenn beide Moderator*innen das Ziel der Veranstaltung unterschiedlich interpretieren oder unterschiedlich darüber denken, wie Moderation funktioniert. Dann wird sich diese Dissonanz schnell auf die Teilnehmenden übertragen.

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Und wie macht man nun Co-Moderation?

Schauen wir auf die drei Phasen vorher — während — nachher, um zu sehen worauf du achten musst, damit die Tandem-Moderation funktioniert.

 

Vor dem Workshop müssen sich beide über das Ziel des Workshops einig sein. Wichtig ist ein kongruentes Verständnis, nicht nur die Gleichheit der Worte. Dies zu erzielen, habt ihr ja in meinem Training geübt! Das gleiche gilt für die unter „während“ zu vereinbarenden Aufgabenteilungen. Es hilft nichts, wenn nur der „Chefmoderator“ denkt, dass er der „Chef“ ist! Ein ganz positiver Aspekt bei der Zusammenarbeit schon während der Auftragsklärung und Vorbereitung ist, dass du jemanden zum Reden hast und durch den Austausch neue Blickwinkel auf Ziel, Teilnehmer*innen und Vorgehen zu gewinnst.

 

Während des Workshops ist eine klare Aufteilung von oberster Wichtigkeit. Zunächst einmal die Hierarchie untereinander. Je nach Erfahrung und persönlichen Stärken kann es eine Haupt-Moderatorin mit einem Hilfs-Moderator oder technischen Moderator geben, der Dienste wie Überwachung des Chats, Einblendung von Umfrage-Tools, Unterstützung von Teilnehmenden auf Mural oder Miro usw. übernimmt. Oder zwei gleichberechtigte Moderator*innen, die sich abwechseln. In der anspruchsvollsten Form tretet ihr dann auch noch gemeinsam und gleichzeitig auf. Anspruchsvoll deshalb, weil ihr beide sehr gut eingespielt sein müsst. Dafür braucht ihr sehr viel gegenseitiges Vertrauen, um euch nicht vor versammelter Mannschaft einander den „Rang streitig zu machen“. Gerade wenn du Neueinsteiger*in bist, ist es wenig sinnvoll, in gleicher Hierarchie mit anderen Anfänger*innen zu moderieren, da sich eure Unsicherheit eher potenziert, als aufhebt.

 

Auch die Teilung der Aufgaben solltet ihr klar abstimmen. So bieten sich verschiedene Dimensionen an, wie zum Beispiel

  • Aktion versus Beobachten
  • Steuern und Dokumentieren
  • Entweder den Fortschritt und die Zielerreichung im Auge behalten, oder die Technik
  • Für Kreativität, Prozess und Gruppendynamik sorgen oder für den Inhalt verantwortlich sein

Jedes dieser "Pärchen" könnt ihr auch einzeln "vergeben". Auch das Tauschen während des Workshops ist möglich. Egal wie ihr teilt, egal wie die Hierarchien sind — das Wichtigste ist, dass ihr beide während des Workshops als Team auftretet, harmoniert und nicht als Konkurrenten wahrgenommen werdet!

 

Analog zur Vorbereitung fällt auch die Nachbereitung nicht nur leichter, wenn du dir die Arbeit teilen kannst. Es gibt auch viel mehr, was ihr durch die verschiedenen Perspektiven erlebt und mitgenommen habt. Dadurch habt ihr zu zweit mehr Einsichten und Erkenntnisse, die bei der Nachverfolgung und im kontinuierlichen Verbessern der Moderationskompetenz helfen, als allein.

Was können wir lernen?

Welche Tricks, Hinweise und Erfahrungen der Profis können wir uns zunutze machen?

 

Was mir am meisten auffällt ist, wie bestimmte Rollen und Einstellungen mit den Personen im Fernsehen und Stimmen im Radio verknüpft oder verankert werden. Wir Zuschauer machen uns sehr schnell ein Bild (eine Meinung) davon, wofür die eine Moderatorin und wofür der andere Moderator steht. Nicht nur „good cop“ — „bad cop“, auch technisch verständig versus liebevoll naiv, „Mama“ neben „Papa“ oder beschwichtigend gegenüber antreibend.

Rollen und Einstellungen werden schnell mit den Personen und Stimmen verknüpft

Rollen in der Tandemmoderation

Wenn diese Wertepaare einmal verankert sind, würde es uns allen schwer fallen, bei der nächsten Sequenz plötzlich mit einer umgekehrten Zuordnung umzugehen. Der Fernsehkonsument möchte keine Caren Zamperona oder Ingo Miosgi sehen! Nehmen wir dies als Warnung vor übertriebenem Hin- und Her-Tauschen der verschiedenen Rollen im Laufe unseres Workshops! Souveräne Co-Moderator*innen halten es aus, wenn am Ende eines erfolgreichen Workshops die Summe der Sprech-Anteile noch nicht ausgeglichen ist.

Was ich noch von den Profis mitnehme: Sie finden ihre Kolleg*in toll! Wenn ihre Co-Moderation spricht, blicken sie sie freundlich an. Also: Interesse an (und Begeisterung für) die Moderations-Partner*in zeigen! Das geht auch online. Und die Teilnehmenden werden genau das nachmachen.

Diesen Rückenwind kann jede Workshopmoderator*in gut gebrauchen. Noch mehr Rückenwind gibt es beim Training für Workshopmoderation.


Das Original dieses Artikels von mir erschien zuerst im Januar 2018 auf medium. Ich habe ihn um die Aspekte des virtuellen Moderierens ergänzt.

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